NESTLE tötet Babys

Wie kaum ein anderes Unternehmen ist Nestlé in unserem Leben präsent. Der Konzern mit Hauptsitz in der Schweiz verkauft mehr als 2.000 Marken und ist in 190 Ländern vertreten. Laut der Geschäftszahlen 2018 hat das Unternehmen in mehr als 85 Ländern Fabriken und beschäftigt weltweit 308.000 Mitarbeiter. In fast jedem Supermarkt finden sich tausende Produkte von Nestlé-Marken.
Bei Edeka drohten die Regale zwischenzeitlich leerer zu werden. Anfang 2018 kündigte Edeka an, 160 Produkte von Nestlé nicht mehr nachzubestellen. Ganz kurz: Es ging um Preisverhandlungen.
Mit Baby-Milchpulver begann vor 150 Jahren der steile Aufstieg von Nestlé. Allerdings war es auch ein leidvoller Weg. Die Vermarktung von Babynahrung ist bis heute umstritten.
Mitte der 1970er Jahre legte sich eine Gruppe von Studenten mit der mächtigen Nestlé an. Sie übersetzten einen englischen Bericht, der den Nahrungsmittelkonzern beschuldigte, den Tod tausender Säuglinge in Afrika und Südamerika auf dem Gewissen zu haben. Der Titel des Berichts: «Nestlé tötet Babys.» Nestlé klagte wegen übler Nachrede, es kam zum Prozess.
Einer der Angeklagten ist Rudolf Strahm, früherer SP-Nationalrat und Preisüberwacher. Er kann sich sehr gut erinnern: «Der volle Gerichtssaal löste in uns Angeklagten ein beklemmendes Gefühl aus. Gleichzeitig waren wir auch etwas stolz. Denn schliesslich begleiteten Journalisten aus der ganzen Welt den Prozess.»
Mehrere Jahrzehnte zuvor, 1866, erfindet Henry Nestlé das Milchpulver und gründet Nestlé. Das Produkt «Nestlé's Kindermehl» macht das Unternehmen rasch gross – und beschert ihr auch den ersten grossen Skandal in der Firmengeschichte.
In den 1970er Jahren dann veröffentlichen zwei englische Hilfswerke die Studie «The Baby Killer». Die Autoren kommen zum Schluss, dass Nestlé mittels aggressiver Werbung Mütter in Entwicklungsländern dazu verleitet, künstliches Baby-Milchpulver statt Muttermilch zu verwenden. Über die Risiken bei mangelnder Hygiene und verschmutztem Wasser hätte Nestlé die Frauen bewusst nicht aufgeklärt. Die Folge: tausende Babys sterben an Durchfall und anderen Krankheiten.
Rudolf Strahm und die Gruppe «Dritte Welt Bern» beschliessen daraufhin, die englische Studie auf Deutsch zu übersetzen. Eine Provokation für Nestlé. «Nestlé drohte uns mit einer Klage, sollten wir uns nicht öffentlich entschuldigen und auf weitere Vorwürfe verzichten. Diesen Maulkorb liessen wir uns nicht bieten», erzählt Strahm.
Also lässt Nestlé die Muskeln spielen. Der Konzern verklagt die Aktivisten wegen übler Nachrede und Verleumdung. Und dies mit Erfolg: Nach einem zweijährigen Prozess werden die dreizehn Angeklagten 1976 zu einer Busse von je 300 Franken wegen Ehrverletzung verurteilt.


Weltweit kauft Nestlé Wasserrechte von staatlichen Wasserbehörden. Das erlaubt dem Unternehmen, Wasser direkt aus dem Grundwasser (unterhalb der Erdoberfläche) abzupumpen. Dieses Wasser reinigt Nestlé und verkauft es dann als abgefülltes „Tafelwasser" in Plastikflaschen, zum Beispiel unter der Marke „Nestlé Pure Life". Der für das Geschäft zuständige Bereich „Nestlé Waters" hat 95 Produktionsstandorte in 34 Ländern. Darunter auch im Süden von Afrika, Pakistan und Äthiopien.
Der zentrale Vorwurf: Dort, wo das Wasser ohnehin schon knapp ist, pumpt Nestlé es ab – und verdient Geld damit. In Südafrika hat Nestlé alleine elf Standorte. Durch die schwerste Dürre aller Zeiten herrscht dort gerade eine Wasserkrise.
In Kapstadt gilt seit dem 1. Februar sogar eine offizielle Wassersparstufe: Nur noch 50 Liter am Tag darf jeder höchstens verbrauchen. Stell' dir vor: Jeder Deutsche verbraucht im Schnitt 121 Liter pro Tag. Eine Flasche „Pure Life", dem dort verkauften Wasser von Nestlé, kostet umgerechnet einen Euro.
Kritik an der Wasserprivatisierung von Nestlé
Nestlé ist sich keiner Schuld bewusst und besteht darauf, die Wasservorkommen vor Ort nicht zu beeinträchtigen. Auf der Homepage wirbt das Unternehmen mit einer Auszeichnung der Organisation Hilfsorganisation Oxfam, die Nestlé gutes Wassermanagement bestätigt.
2018 machte Nestlé nach eigenen Angaben allein mit Wasserprodukten einen Umsatz von 7,878 Milliarden Schweizer Franken (rund 6,9 Milliarden Euro). Das ist mehr als ein Zwölftel des gesamten Umsatzes, der 2018 um zwei Prozent auf 91,4 Milliarden Schweizer Franken wuchs.
Nestlé Waters steigert Umsatz 2018 durch höhere Preise
Schaut man sich die Zahlen genauer an, fällt auf: Nestlé steigerte die Einnahmen vor allem aus einem Grund – der Konzern verkaufte sein Wasser teurer. Wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht, erhöhte Nestlé die Preise 2018 um 2,7 Prozent.
Solche Fakten lösen gewöhnlich Kritik aus. 2012 beleuchtete der Dokumentarfilm „Bottled Life" das Geschäft von Nestlé mit dem Wasser. Unter anderem wirft er dem Konzern vor, für die Dürre in einigen Regionen Pakistans verantwortlich zu sein.

Was sagt Nestlé dazu? In dem Film – kein Wort. Nestlé lehnte ein Interview ab. Begründung: Die Dokumentation falle einseitig aus und stelle Nestlé und seine Mitarbeiter nicht fair dar. Wir wollen von Nestlé wissen, ob sie Menschen das Wasser wegnehmen.
Der Pressesprecher verweist auf die Internetseite, da diese Frage schon seit Jahren immer wieder aufs Neue gestellt würde und bereits beantwortet sei. Tatsächlich: Nestlé hat einen ganzen Artikel zu dem Dokumentarfilm „Bottled Life" verfasst. Die Antwort auf die Frage, ob Nestlé mit seinem Wassergeschäft für Dürren in Pakistan sorgt:
„Das stimmt nicht. Das Nestlé Werk Sheikhupura in Pakistan fördert Wasser aus zwei Tiefbrunnen. Geschätzt existieren in der Region Lahore aber rund 680.000 Brunnen." – Nestlé auf seiner Homepage
Film-Trailer Bottled Life: „Denen geht es nur ums Geld. Sie sind Raubtiere, Wasserjäger."
Auch bei Lebensmitteln für Babys steht Nestlé aktuell in der Kritik. Ein Bericht der Organisation „Changing Markets Foundation" untersuchte diesen Monat die Babynahrung von Nestlé. Mit keinem wirklich guten Ergebnis. Besonders in der Kritik: Nestlés Werbeslogan „am nächsten an der Muttermilch". Der Slogan werde weltweit verwendet, obwohl die Zusammensetzung der Produkte überall auf der Welt sehr unterschiedlich sei, kritisieren die Verbraucherschützer.



Über 70 Produkte für Babys aus 40 Ländern haben sie untersucht. Das zentrale Ergebnis des Berichts: Nestlés Produkte basierten nicht auf Ernährungswissenschaften, sondern seien vor allem auf Profit und Wachstum auf Kosten von Säuglingen ausgerichtet. Wir wollten von Nestlé wissen, was sie zu diesem neuesten Skandal sagen – hier ist die Antwort im O-Ton:
„Wir haben die „Changing Markets Foundation" zu einem Dialog mit uns eingeladen, um gemeinsam über die Ergebnisse des Berichts zu sprechen und einige der unzutreffenden Punkte richtig zu stellen. […] Wir verwenden keine Aussagen, die unsere Produkte idealisieren oder implizieren, dass sie Muttermilch entsprechen oder ihr sogar überlegen wären, weder auf unseren Produkten noch in anderer Kommunikation."
Doch das ist nicht der erste Skandal um Babynahrung. 2008 verkaufte eine Nestlé-Tochterfirma in China verunreinigtes Milchpulver. Sechs Babys starben an dem Milchpulver, 300.000 Säuglinge mussten in Krankenhäusern behandelt werden.


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